Eine interessierte Gruppe von Fachwarten ist der Einladung der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau LVWO Weinsberg am 16. Juni 2018 gefolgt. Herr Burghard Hein, seit 2003 Betriebsleiter des Obstbauversuchsguts Heuchlingen, begrüßte die Teilnehmer mit einer Kirschen- und Himbeer-Probe. Die Außenstelle Heuchlingen der LVWO Weinsberg besteht seit 1953, sie umfasst 34 Hektar Obstbaufläche, und über 1000 Sorten Obst wurden bislang hier getestet. Es werden Versuche und Sortensichtungen durchgeführt, bei Kernobst insbesondere zur Schorfresistenz. Aber auch eine Kernobstzüchtung findet hier statt: Beim Apfel wurde die neue „Summer“-Linie mit beispielsweise „Summercrisp“, „Summerflame“ und „Summerbreak“ von Dr. Franz Ruess generiert. Auch der neue Apfel „Barbarossa“ ist eine Sortenzüchtung von Dr. Ruess.
Der Weg durch das weitläufige Gelände führt durch eine Birnenanlage, und ganz nebenbei war zu erfahren, dass hier der Ohrwurm als Nützling gegen den Birnblattsauger eingesetzt wird. Es wurde auch darauf hingewiesen, den Ohrwurm nicht in Pfirsichkulturen einzusetzen, weil er gerne die Früchte annagt. Die Birnbäume selbst sind zwischenzeitlich zur Rodung freigegeben; der Platz ist für einen Teich mit 18.000 Kubikmeter Volumen vorgesehen. Für eine Frostschutzberegnung der Kulturen werden 400 Kubikmeter Wasser pro Stunde benötigt, das Volumen des Teiches reicht so für drei Nächte, wenn er nicht ganz leer gepumpt werden soll. Die jährliche Niederschlagsmenge in Heuchlingen beträgt durchschnittlich 600 Millimeter. Heuchlingen hatte im Jahre 2017 im Kernobst einen frostbedingten Ertragsausfall von 95 Prozent zu verkraften.
Im Erdbeerquartier befinden sich etwa 40 Sorten, teilweise auch Nummernsorten noch ohne Sortennamen oder Handelsbezeichnung. Die Erdbeeren werden hier nur einjährig kultiviert, daher wird auch nur der Ertrag des ersten Jahres geprüft. Ansonsten wäre eine zweijährige Bonitur sinnvoll. Bei noch längerer Kultur nimmt die Fruchtqualität extrem ab und wird unwirtschaftlich. Wichtig ist der stetige Standortwechsel, weil die Dauersporen der Verticillium-Welke – eine pilzliche Krankheit – bis zu 20 Jahre im Boden aktiv bleiben. Erdbeer-Ableger müssen rechtzeitig gewonnen und bis Mitte August verpflanzt worden sein, oder man verwendet wahlweise Frigopflanzen (Terminkultur). Die Blüteninduktion bei Erdbeeren findet im September statt. Es gibt kaum Erdbeerzüchter in Deutschland, eher finden sie sich in den Niederlanden, Großbritannien und Italien.
Bei den Tafeltrauben liegen die kernarmen Sorten im Blickpunkt des Verbrauchers, weshalb sie hier getestet werden. In Deutschland werden keine kernlosen Sorten angebaut, weil die Beeren aufgrund fehlender Wärme nicht groß genug werden. Je größer die Frucht desto mehr Kerne enthält sie, war zu erfahren. Die kernarme Sorte „Palatina“ fand Erwähnung, auch eine neue weiße Sorte „Mog“ ist derzeit in Testung und könnte sich etablieren, sie ist allerdings etwas frostempfindlich. Für Neuheiten in der Tafeltraubenzüchtung wurde die Baumschule Wolf’s Reben in Bad Dürkheim/Pfalz empfohlen, sie ist auch ein ansprechendes Ausflugsziel.
Die kleinfrüchtigen Kiwisorten, sogenannte Kiwibeeren, werden nicht geschält, sondern mit der Haut verzehrt. Hier werden sie unreif geerntet, um einem eventuellen Befall der Kirschessigfliege vorzubeugen. Auch sonst ist keinerlei Pflanzenschutz nötig. Unter anderem sind derzeit Sorten wie „Maya“, „Anna“, „Geneva“, „Molly“ oder „Super-Jumbo“ in der Testung.
Heidelbeeren werden seit 2001 in Heuchlingen untersucht. Damals wurden Gräben ausgehoben und diese mit insgesamt 300 Kubikmeter Sägemehl gefüllt, um einen sauren Boden mit einem pH-Wert von etwa pH 4 zu erhalten. Wie zu erfahren war, ist Sägemehl allerdings zwischenzeitlich sehr teuer geworden: Es wird heute von der Industrie meist zu Pellets verarbeitet und hochpreisig verkauft. Für den Hausgarten eignet sich bestens die Heidelbeer-Kultur im großräumigen Kübel, auch sollte nur mit Regenwasser gegossen werden.
Bei den Roten Johannisbeeren scheint die Sorte „Rovada“ nach wie vor unangefochtener Favorit zu sein. Mit ihren langen Trauben reift sie etwa vier Wochen nach der bewährten Frühsorte „Jonkheer van Tets“ und ermöglicht so ein weites Erntefenster. Im Erwerbsobstbau schafft ein professioneller Pflücker etwa 10 Kilogramm pro Stunde, 1 Kilogramm Johannisbeeren dürften etwa 10 Euro einbringen. Als Anbausystem wird die Dreiasthecke empfohlen. Diese benötigt allerdings viel Wasser und auch reichlich Dünger, der durchaus stickstoffbetont sein darf. – Auch Schwarze Johannisbeeren werden angebaut, hierbei werden vor allem die Farbwerte sowie der Vitamin-C-Gehalt geprüft.
Stachelbeeren sind ein Nischenprodukt und nur selten auf Wochenmärkten zu finden. Die Sorte „Xenia“ ist ein Massenträger. Es gibt grüne und rote Beerensorten, wobei die roten für den Handel interessanter sind. Bei Stachelbeeren ist für einen lockeren und gut durchlüfteten Boden zu sorgen, weshalb hier Lavagranulat in das Substrat eingearbeitet wird, was auch für den Hausgarten empfehlenswert ist.
Bei den Himbeeren sieht es dieses Jahr generell dürftig aus. Hauptsächlich wird eine Sortimentstestung durchgeführt; ein großer Umtrieb ist festzustellen: Es gibt ein viel zu großes Sortenangebot, was nichts taugt fliegt sofort wieder raus. Die Sorten „Glen Ample“ und „Glen Fyne“ stehen unter Glas, die fruchtbaren Seitentriebe werden durch Netze gestützt. Ein Nachpflanzen von Himbeeren darf nicht an gleicher Stelle erfolgen. Heuchlingen betreibt eine eigene Long-Cane-Züchtung, und speziell für die Unterbringung im Kühlhaus werden schmale hohe Anzuchttöpfe verwendet. – Brombeeren hingegen stehen unter Glas und im Freiland, Massenträger ist die dornenlose Sorte „Loch Ness“.
Zum Abschluß wurde ein Blick in das Kühllager mit seinen 400 Tonnen Kapazität gewährt und eine gut gekühlte alkoholfreie Apfel-Kirsch-Perle serviert. Das anschließende gemeinsame Mittagessen auf der Panoramaterrasse des Gasthofes Schöne Aussicht in Jagstfeld mit Blick auf den Neckar bot Möglichkeit zum Austausch über das Erlebte und rundete die Veranstaltung perfekt ab.