Sauerkirschenschnitt 2020

Am 11. Januar 2020 fand auf Manfred Nubers Obstgrundstück auf dem Predigtplatz nahe Weil der Stadt der diesjährige Sauerkirschschnittkurs statt. Wie immer war der Vormittag zum Erlernen und Üben des Kursinhaltes vorgesehen, nachmittags konnte auf freiwilliger Basis weitergeschnitten und das Erlernte vertieft werden. Über 30 Teilnehmer fanden sich ein, darunter in der Materie bereits geübte Fachwarte, aber auch neue Interessenten aus umliegenden Obst- und Gartenbauvereinen sowie von anderen Fachwartvereinigungen.

Manfred Nuber ging zunächst auf die Geschichte seiner Sauer­kirschenkultur ein. So war die ursprüngliche Idee, zwischen neu gepflanzten Mostapfelbäumen jeweils Sauerkirschen zu setzen, um diese nach dem „Bleiber-Weicher-System“ später zu roden. Jedoch genau der umgekehrte Fall trat ein: Die Mostapfelbäume wurden gerodet, und die noch vorhandenen ältesten Sauerkirschen stehen nun seit 45 Jahren. Es sind vorwiegend Bäume der Sorten „Schattenmorelle“ und „Beutelsbacher Rexelle“. Kontinuierlich wurden abgängige Bäume ersetzt, auch weitere Sorten auf ganz verschiedenen Unterlagen kamen hinzu, wie beispielsweise „Ungarische Traubige“, „Köröser“ oder „Achat“ auf GiSelA-5.

Zu den theoretischen Grundlagen beleuchtete Manfred Nuber die Eigenheiten beim Schnitt von Sauerkirschbäumen, die durchaus beachtenswert sind und keinesfalls mit den üblichen Schnittmethoden an anderen Obstbäumen verwechselt werden dürfen. Eine Analogie findet sich jedoch zum Schnitt von Pfirsich- und Nektarinenbäumen, weil auch sie am einjährigen Holz blühen und tragen. Alle Äste haben die Aufgabe, möglichst viel einjähriges Fruchtholz zu bilden, weshalb die zur Anwendung kommende Flach- oder Tellerkrone jedes Jahr anders aussieht. Bewusst wird der Begriff „Leitast“ vermieden, weil dieser suggeriert, es handele sich hierbei um ein dauerhaft verbleibendes Kronenteil, was bei Sauerkirschen in der Praxis nicht vorkommt. Daher ist eher von Gerüst- oder Basisästen zu sprechen, die eine Zeit lang in der Krone verbleiben und bei Bedarf durch nachgezogene Triebe ersetzt werden.

Auf drei Besonderheiten wies Manfred Nuber hin:

  • Im Erwerbsobstbau, und hier speziell bei der Selbstpflückanlage, wird darauf geachtet, dass alle Früchte vom Boden aus ohne Leiter zu ernten sein sollen, weshalb die Bäume streng höhenbegrenzt werden müssen. Höher nach oben reichende Äste können ausnahmsweise verbleiben, wenn sie zum Beernten leicht heruntergebogen werden können.
Die durch die Stecklenberger-Krankheit stark gestauchten Triebe erinnern an Bukettknospen von Süßkirschen
  • Die Problematik des Stecklen­berger-Virus, das auch als Nekrotisches Ringflecken-Virus (= Prunus Necrotic RingSpot Virus, PNRSV, manchmal auch PNRV) benannt ist und sich in der Anlage weiterverbreitet. In Folge dieser Krankheit, die nicht bekämpft werden kann, lässt der Fruchtertrag nach, indem die Früchte weniger und kleiner werden. Das Virus wird insbesondere durch Nematoden verbreitet; Symptome sind im Sommer ringförmige Blattaufhellungen mit braunen Rändern, jetzt im Winter sind die stark gestauchten Jahrestriebe, jedoch mit gleicher Nodienanzahl, auffällig. Nicht alle Bäume zeigen Symptome, und auch innerhalb einer Baumkrone kann das Auftreten auf nur wenige Äste begrenzt sein. Das gezielte Ausschneiden solcher Triebe hilft leider nicht.
  • Das ansonsten unbedingt zu vermeidende Anschneiden von einjährigen Trieben darf bei Sauerkirschen an Stellen erfolgen, wo Neutriebe erwünscht sind, allerdings nicht in die freizuhaltenden Fahrgassen hinein und nicht in zu großer Höhe. Sinnvoll ist das Anschneiden daher in Bauch- oder Brusthöhe, damit die entstehenden Neutriebe sich in Griffweite ausbilden.

Nach einem Brezelfrühstück mit heißen Getränken wurden in Gruppen oder auch einzeln die drei vorhandenen Sauerkirschreihen in Angriff genommen und die anfänglich herrschende Kälte in Händen und Füßen verflog rasch. Bis zur Mittagspause war etwas mehr als die Hälfte der Bäume geschnitten.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen waren noch 14 Personen bereit und – jetzt im Sonnenschein – motiviert, sich der fehlenden Bäume anzunehmen. Hier ging es mit unterschiedlichsten Werkzeugen voran. Nicht nur Handsägen, Ast- und Handscheren wurden verwendet, es kamen auch ab und zu Motorsägen zum Einsatz. Immer war irgendwo das typische mechanische Geräusch einer Akkuschere vernehmbar. Auf Lücke nachgepflanzte Jungbäume mit Spindelkronen wurden – soweit möglich und sinnvoll – auf Tellerkronen umgestellt. Bis zum Sonnenuntergang konnten alle noch fehlenden Sauerkirschbäume rechtzeitig fertiggeschnitten werden. Ein verdienter Umtrunk beendete die Aktivität.

Vielen Dank allen, die sich am Thema interessiert zeigten, und vor allem jenen, die eifrig bis zum Schluss durchgehalten und mitgemacht haben. Es war eine wunderbare gemeinsame Aktion!

Über Bruno Böhmler

Jahrgang 1956. Fachwart für Obst und Garten seit 2003. Danach kamen immer weitere Qualifikationen hinzu, beispielsweise: LOGL-geprüfter Obstbaumpfleger, Heckengäu-Naturführer, kommunaler Baumwart (entspr. staatl. geprüft), Pflanzendoktor der Gartenakademie, FLL-zertifizierter Baumkontrolleur, Baumwertermittler.