Für den 28. Juni 2019 hatte die Fachwartvereinigung zu einer Betriebsbesichtigung des Wetteramtes Stuttgart des Deutschen Wetterdienstes (DWD) eingeladen. Insgesamt 20 Teilnehmer, bestehend aus Fachwarten und weiteren interessierten Mitgliedern angeschlossener Obst- und Gartenbauvereine sowie Ehefrauen als Gäste hatten sich am Schnarrenberg eingefunden. Die Veranstaltung fand bei schönstem Sommerwetter mit strahlend blauem wolkenlosem Himmel statt, sodass die geplante Wolkenbeobachtung leider nicht durchgeführt werden konnte. Herr Michael Gutwein, Leiter der Regionalen Messnetzgruppe des DWD Außenstelle Stuttgart, führte durch das Gelände, sein Kollege Meteorologe Marcel Schmidt erläuterte die Arbeiten in der Zentrale, die hauptsächlich an Computerbildschirmen abläuft. Das Großraumbüro ist die Schaltzentrale der Außenstelle Stuttgart des Deutschen Wetterdienstes. Die wichtigsten Arbeiten sind Bearbeitungen von Warnmeldungen, dann herrscht hektische Vollbeschäftigung und dann können auch keine Führungen stattfinden.
Die Ergebnisse des Deutschen Wetterdienstes sind größtenteils kostenlos. Eine geeignete App für das Smartphone steht für jedermann zur Verfügung. Für kommerzielle Kunden wie beispielsweise Erdbeerbauern, Organisatoren von Open-Air-Veranstaltungen oder Gärtnereien wird ein Obolus, meist über die Telefongebühren, abgerechnet. Auch ein Feinstaubalarm bei fehlendem vertikalen Luftaustausch wird immer dann ausgelöst, wenn an zwei Tagen hintereinander die Grenzwerte überschritten werden. Ein einsetzender Regen stoppt regelmäßig den Feinstaubalarm. Am Bodensee werden bei Sturmgefahr die Sturmwarnleuchten aktiviert, die je nach Warnstufe in unterschiedlicher Frequenz blinken. Auch die Energieversorger sind insbesondere an nahenden Gewitterereignissen mit Blitzintensität interessiert. Die Fülle an gesammelten Daten machen die leistungsfähigsten Computer erforderlich. In Stuttgart gibt es aktuell zwei Wetterstationen: Auf dem Schnarrenberg und am Flughafen. Weitere Daten, insbesondere Niederschlagsmengen, werden von vielen ehrenamtlichen Helfern erhoben und sind äußerst wertvoll, um eine detailliertere Verteilungskarte erstellen zu können.
Pünktlich um 12.45 Uhr konnte der Aufstieg eines Wetterballons mitverfolgt werden. Auf Knopfdruck öffnete sich die Klappe der aerologischen Station auf dem Dach des Nebengebäudes und der Ballon stieg bei windstillem Wetter fast senkrecht in die Höhe. Gleich nach dem Start beginnt sich von einer Haspel die Schnur abzuwickeln, an der die etwa 300 Gramm leichte Radiosonde am Ballon befestigt ist. Die immer länger werdende Schnur glitzerte im Sonnenlicht und war gut zu erkennen. Bei komplett abgewickelter Schnur hängt die Radiosonde 30 Meter unterhalb des Ballons.
Es werden täglich mindestens zwei Wetterballone jeweils mit Radiosonde gestartet, bei Bedarf auch mehr, die Daten werden per Funk nach Oberschleißheim bei München übermittelt. Ein Wetterballon hat am Boden einen Durchmesser von 1,2 Meter, durch den in der Höhe weniger werdenden Luftdruck hat der Ballon in 35 Kilometer Höhe einen Durchmesser von 14 Metern, bevor er zerreißt. Die Radiosonde sinkt an einem Fallschirm nieder, der sich im Ballon befand. Bedingt durch die meist aus Westrichtungen wehenden Winde landen die Radiosonden häufig bei Aalen im Ostalbkreis, ihre Signale werden im Frequenzbereich um 405 Megahertz zur Erde übertragen. Die Kosten für einen Wetterballon mit Radiosonde belaufen sich auf etwa 300 Euro. Ein Hinweis auf jeder Sonde gibt eine Adresse und Telefonnummer an, wo ein Finder das Gerät melden kann. Nicht nur von Wetterwarten, auch von Schiffen werden täglich Wetterballone gestartet, so sind etwa 700 deutsche Handels- und 600 Marineschiffe mit Ballonen ausgerüstet.
Beim Besuch auf dem Messfeld, welches stets sauber gepflegt sein muss, weil der Pflanzenbewuchs das Mikroklima beeinflusst, wurden weitere Details genannt. So verfügt die Universität Stuttgart-Hohenheim über die längste existierende Messreihe, dort sind seit dem Jahr 1878 die wichtigsten meteorologischen Größen Lufttemperatur, Niederschläge und Sonnenscheindauer erfasst. Seit 1984 ist das Wetteramt Stuttgart des DWD am neuen Standort auf dem Schnarrenberg stationiert, nachdem das alte Domizil in Stuttgart in der Alexanderstraße aufgegeben wurde.
Die Luftfeuchte und Lufttemperatur wird in zwei Meter Höhe über Grund erfasst und direkt an die DWD-Zentrale nach Offenbach am Main bei Frankfurt übermittelt, die Messdaten werden dabei alle 30 Minuten geloggt. Bodentemperaturen werden fünf Zentimeter über dem bewuchsfreien Boden sowie im Erdboden in fünf Stufen bis hinunter zu einem Meter Tiefe gemessen. Thermometer zur Temperaturermittlung werden längst keine mehr benutzt, es gibt nur noch Thermosensoren. Die Windrichtung und -geschwindigkeit wird auf einem zehn Meter hohen Mast modern mit einem Ultraschall-Anemometer gemessen, das ältere Schalenkreuzanemometer und die Windfahne laufen parallel mit und messen die gleichen Daten. Gerne setzen sich immer wieder Vögel auf das Schalenkreuzanemometer und fahren Karussell. Dies soll jedoch die Messung kaum beeinträchtigen, weil sie nicht stundenlang darauf sitzenbleiben.
Ein Sichtweitenmesser erfasst Nebel und Trübungen der Luft, er funktioniert mit Laserlicht. Überhaupt schreitet die Modernisierung und Automatisierung in der Datengewinnung rasch fort, was nicht zuletzt auch einen rasanten Arbeitsstellenabbau bedeutet. Der moderne Niederschlagsmesser funktioniert mittels Ultraschallfeld, der ehemalige Hellmann-Niederschlagsmesser, dessen Sammelbehälter ständig von Hand geleert werden muss, läuft nur noch nostalgisch nebenher und liefert genau die gleichen Ergebnisse. Eine nicht unerhebliche Menge, nämlich ein Drittel der Gesamtniederschläge sind sogenannte abgesetzte Niederschläge, wozu Reif und Tau gehört.
Ein Wolkenhöhenmesser, der sogenannte Tropopauser, sendet zur Abstandsmessung einen Laserstrahl senkrecht in die Luft, die Reflexionen des Laserstrahls geben Aufschluss über die Wolkenbildung in drei unterschiedlichen Höhen zwischen 5 Meter und 13 Kilometer. Mittels eines Schneebrettes am Boden wird die Schneefallmenge bestimmt. Die Sonneneinstrahlung wird mit mehreren unterschiedlichen Instrumenten erfasst, von Interesse sind Sonnenscheindauer, -intensität und Globalstrahlung. Auch die Radioaktivität in der Luft sowie im Boden wird gemessen. Bedrückend: Heute ist der ermittelte Wert noch immer achtmal höher als vor dem katastrophalen Atomreaktorunfall in Tschernobyl im Jahre 1986.
Nach der Messfeldbegehung gab es in der Bibliothek einen Vortrag zum Thema „Was ist Wetter?“, der unter anderem die Unterschiede zwischen Wetter, Witterung und Klima veranschaulichte. Unterschiedliche Wolkenbilder wurden gezeigt und die Entwicklungsstufen eingehend erläutert. Auch auf Gefahren des Blitzschlages wurde eingegangen sowie die Zuverlässigkeit von Wetter- und Bauernregeln diskutiert. Einige spektakuläre Starkwetterereignisse der vergangenen Jahre und deren Auswirkungen wurden angeführt.
Das Gesellige kam an diesem Tag keineswegs zu kurz: Im Anschluss an die hochinteressante Führung fanden sich einige Fachwarte und Gäste in einem nahegelegenen Tennisvereinsheim ein, dort konnte bei schönstem Weitblick über Stuttgart, das Neckar- und Remstal bis zur Schwäbischen Alb das Erlebte sowie weitere aktuelle Themen vertieft werden. Fazit: Eine gelungene Veranstaltung!