Streuobstaktionstag in Kayh am 3. Oktober 2019

Alle zwei Jahre findet in den beiden Herrenberger Teilorten Mönchberg und Kayh der Streuobstaktionstag statt. Die Veranstaltung mit Straßen- und Scheunenfestcharakter bietet an etwa 30 verschiedenen Stationen Einblicke und Wissenswertes rund um das Thema Streuobst. Für Erwachsene gibt es viel Interessantes und für Kinder werden Mitmachaktionen geboten. So findet man unter anderem Destillate und Liköre, Säfte, Obst und Nüsse sowie regionale Produkte, aber auch Kunsthandwerker mit Metall- und Holzarbeiten. Baumschule und Leitermacher sind ebenso vertreten wie Seiler, Korbflechter, Schäfer oder Sensendengler. Vereine wie Jäger, Imker, Streuobstpädagogen, Obst- und Gartenbauvereine, NABU oder Lanz-Bulldogfreunde informieren über ihre Fachgebiete und bieten Kaffee und Kuchen wie auch Deftiges an.

Die Fachwartvereinigung hatte wie in den Vorjahren eine imposante Obstsortenausstellung auf die Beine gestellt. Der Aufbau der Ausstellung am Schulhaus in Kayh begann morgens bei noch frischen Temperaturen. Erfreulicherweise hatte sich etwa ein Dutzend Fachwarte zur Mitarbeit eingefunden. Was anfänglich noch wie ein unüberschaubares Durcheinander wirkte, nahm immer mehr Gestalt an. Zunächst mussten Tische aufgestellt werden, dann wurden darauf leere Körbchen verteilt. Die Obstsorten, alle einzeln in Tüten verpackt und handschriftlich gekennzeichnet, waren in vielen Obstkisten angeliefert worden. Die Sortenschilder waren säuberlich in einem Karton untergebracht. Nach und nach konnten die handschriftlichen Zettel durch gedruckte Etiketten ersetzt werden, zum Teil nur knapp mit Sortenname und Herkunft versehen, doch von den Sorten, die überwiegend aus dem Obstsortenmuseum in Rutesheim stammten, recht ausführlich und anschaulich beschrieben.

Die ansehnliche Obstsortenausstellung bot mit über 160 Sorten, davon zum größten Teil Äpfel, aber auch Birnen, Nashi und Wildäpfel, einen überwältigenden Anblick. Die vorhandenen Tische reichten nicht aus, um alle Sorten darauf zu präsentieren, weshalb eine zusätzliche Bankreihe erforderlich wurde. Der Hauptansturm der Besucher kam um die Mittagszeit. Es war immer wieder erfreulich, zu sehen, wie sich beim Anblick von altbekannten Sorten die Gesichter der Besucher erhellten.

Birne ‘Schweizer Hose’

Mit den Gästen ins Gespräch zu kommen, war einfach, längst nicht jedoch, alle Fragen zur Zufriedenheit beantworten zu können. Themen wie: „Wo kommen all die Äpfel her?“ oder „Was wird als Veredelungsunterlage verwendet?“ waren noch von der einfacheren Kategorie. Auch „Wie ist das mit den Apfelallergenen?“ oder „Warum gibt es im Laden keine ‘Goldparmänen’ zu kaufen?“ konnte noch einigermaßen schlüssig beantwortet werden. Überhaupt wurde die Sorte ‘Goldparmäne’ häufiger erwähnt. Sie scheint demnach beim Verbraucher nach wie vor eine beliebte Sorte zu sein. Mehrmals berichteten Besucher von einer erlebten bestimmten Geschmacksempfindung in ihrer Kindheit und die bleibende Erinnerung daran bis zum heutigen Tage.

Schwierigere Fragen waren diese:

  • „Kennen Sie die Birnensorte ‘Graumännchen’?“
    – „Nein, da muss ich mal zuhause mein Handbuch zu Rate ziehen.“
  • „Wir hatten früher einen ‘Zellers Dickstiel’ im Garten. Kennen Sie den? Haben Sie den hier auch?“
    – „Es gibt einen ‘Celler Dickstiel’. Celler mit C, weil er um Celle weit verbreitet war. Er heißt auch ‘Krügers Dickstiel’. Der ist bekannt, den gibt’s noch, haben wir aber nicht hier.“
  • „Können Sie mir etwas zum Apfel ‘Lucy’ sagen?“
    – „Nein, tut mir leid. Ist ’ne neue Sorte. Da müsste ich mal googeln.“

Das Googeln zur Apfelsorte ‘Lucy’ ergab folgende Informationen: ‘Lucy’ ist eine Züchtung des Schweizers Erich Dickenmann, der in Sortenzüchtungsfragen bereits jahrzehntelang mit dem Institut UEB in Prag zusammenarbeitet (UEB = Ustav Experimentalni Botaniky, Institut für Experimentelle Botanik, Prag-Lysolaje). Die Kreuzung aus Topaz × Fuji mit der ursprünglichen Züchtungsnummer ‘UEB I-181/3’ erhielt zu Ehren seiner Tochter den Namen ‘Lucy’. Insbesondere ‘Lucy’ weist zu 70 bis 100 Prozent eine optimale rote Deckfarbe auf, wie auch die neuen Sorten ‘Ladina’ und ‘Ariane’. Es ist ein Tafelapfel, der den Wunschvorstellungen vieler moderner Verbraucher entspricht: Intensive Deckfarbe, tendenziell süß, aber auch milde Säure dabei, ein guter Geschmack, aromatisch, mit einem Beiton nach Banane. Die Pflückreife beginnt ab Mitte September mit Genussreife ab Baum, also nicht sehr lange lagerfähig, im Kühllager bis Februar des darauffolgenden Jahres. Erich Dickenmann betreibt in Ellighausen in der Schweiz eine Unterlagenbaumschule. Daneben ist er stets auf der Suche nach der optimalen Apfelsorte, nicht nur bezüglich des Aussehens und des Geschmacks, sondern auch zu Schorfresistenz, Feuerbrandtoleranz und geringer Mehltauanfälligkeit.

Pomologe Thomas Bosch (links)

Nachmittags war der Pomologe Thomas Bosch am Stand der Fachwartvereinigung. Sein Angebot, mitgebrachte Apfelsorten zu bestimmen, wurde vom Publikum gern angenommen. Zeitweise bildete sich eine lange Warteschlange an seinem Tisch. Es war faszinierend, zuzusehen, wie der Spezialist aus seinem Wissensfundus schöpfte: Ein Apfel mit Warzen wurde als ‘Landsberger Renette’ erkannt. Ein anderer, in Form und Farbe einem unreifen ‘Brettacher’ ähnlicher Apfel konnte als ‘Welschisner’ tituliert werden.

Alte Erkenntnis, wieder aufs Neue: Die Aktion hat viel Spaß gemacht. Die Helfer hatten ihre Freude und die vielen Besucher sicherlich auch. Es war lehrreich auf beiden Seiten und ist unbedingt empfehlenswert. Die Fachwarte konnten mit der Obstsortenausstellung nicht nur fachlich den Streuobstaktionstag bereichern, sondern auch auf ihre sonstigen Aktivitäten hinweisen. Eine wunderbare Werbemöglichkeit.

Über Bruno Böhmler

Jahrgang 1956. Fachwart für Obst und Garten seit 2003. Danach kamen immer weitere Qualifikationen hinzu, beispielsweise: LOGL-geprüfter Obstbaumpfleger, Heckengäu-Naturführer, kommunaler Baumwart (entspr. staatl. geprüft), Pflanzendoktor der Gartenakademie, FLL-zertifizierter Baumkontrolleur, Baumwertermittler.