Sachkundefortbildung im Pflanzenschutz

Am 12. November 2018 fand eine Fortbildung zur Sachkunde im Pflanzenschutz statt, die die Fachwartvereinigung veranstaltete. Der zeitliche Umfang dieser Weiterbildungsmaßnahme betrug 4 Stunden und war somit vor allem für solche Inhaber eines Pflanzenschutz-Sachkundeausweises interessant, die im Zeitraum von 2016 bis 2018 bislang noch keine Schulung erhalten hatten. Die Referenten waren Helmut Kayser und Manfred Nuber vom Landratsamt Böblingen, die Halle im Bürgerhaus Renningen sowie die Versorgung mit Vesper und Getränken organisierte dankenswerterweise der Obst- und Gartenbauverein OGV Renningen. Die Halle war mit über 100 Personen restlos besetzt.

– alle Bilder: Bruno Böhmler
Bürgerhaus Renningen

Manfred Nuber führte in die Fortbildung ein und präsentierte die Themen des Abendprogramms. Er betonte, dass im fachlichen Rahmen der Fachwartvereinigung die ausgesuchten Themen durchaus niveauvoll gewählt seien. Gleichzeitig wurde auch der Referent Helmut Kayser vorgestellt, der seit September nun im Ruhestand weilt. Einen schriftlichen Nachweis über die Sachkundefortbildung erhielten alle angemeldeten Teilnehmer.

Helmut Kayser ging im ersten Teil seines Vortrages zunächst auf die Rechtsgrundlagen ein. Das deutsche Pflanzenschutzgesetz dient dem Pflanzenschutz, dem Schutz von Pflanzenerzeugnissen sowie dem Schutz von Menschen, Tieren und des Naturhaushalts, insbesondere vor Gefahren durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Es soll unsere Ernährung sichern in Ertrag und Qualität. Es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg 1949 neu erlassen.

Interessiertes Fachpublikum

Die Indikationszulassung besagt, dass Pflanzenschutzmittel nur angewendet werden dürfen, wenn sie zugelassen sind, und zwar nur in genehmigten Anwendungsgebieten bezüglich Kultur und Schaderreger und nur entsprechend den Anwendungsbestimmungen. Auf die Schwierigkeiten beim Einhalten der Grenzabstände zu Gewässern, Hecken und Waldrand, insbesondere im kleinstrukturierten Baden-Württemberg, wurde hingewiesen. Die Nichteinhaltung dieser Bestimmungen ist eine Ordnungswidrigkeit und mit Bußgeld bewehrt. Bei den Genehmigungen ist eine Erweiterung der Zulassungen denkbar, wie dies beispielsweise bei Befall durch Feuerbrand erforderlich wird.

Pflanzenschutzmittel dürfen nur auf landwirtschaftlich, gärtnerisch oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen angewendet werden, also nicht an Gewässern, Nichtkulturland oder auf Wegen und Verkehrsflächen. Dies betrifft auch Breitbandherbizide, insbesondere mit dem in den Fokus geratenen Wirkstoff Glyphosat. Kurioserweise wird ein Steinreiniger verkauft, der den Wirkstoff Natriumchlorat enthält. Chlorate sind innerhalb der EU als Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln nicht mehr zugelassen; ein bekannter Handelsname der chlorathaltigen Herbizide war „UnkrautEx“. Pflanzenschutzmittel für den Haus- und Kleingartenbereich (HuK) sind nur HuK-zugelassene Mittel in Kleinstgebinden, für sie ist kein Sachkundenachweis notwendig.

Zu den Fristen: Die Aufbrauchsfrist eines Pflanzenschutzmittels nach dessen Zulassungsende beträgt 18 Monate. Der Verkauf eines solchen Mittels endet nach 6 Monaten. Eine Prüfung von Pflanzenschutzgeräten muss alle 3 Jahre stattfinden, ausgenommen hiervon sind handgeführte Geräte und Rückentragespritzen. Verwender von Pflanzenschutzmitteln sind verpflichtet, Aufzeichnungen über die Pflanzenschutzmittel, den Zeitpunkt der Verwendung, die Menge, die behandelte Fläche und die Kulturpflanze zu führen. Die Dokumente sind mindestens 3 Jahre aufzubewahren.

Laut Bundesartenschutzverordnung stehen die Honigbienen unter besonderem Schutz. Bienengefährliche Pflanzenschutzmittel dürfen im Umkreis von 60 Meter um einen Bienenstand innerhalb der Zeit des täglichen Bienenflugs nur mit Zustimmung des Imkers ausgebracht werden. Sie dürfen nicht in blühendem Bestand angewendet werden; als blühender Bestand gilt, wenn auch nur eine Blüte geöffnet ist. Eine Tankmischung zweier ansonsten nicht bienengefährlicher Mittel ist als bienengefährlich eingestuft.

Die Halle war bis auf den letzten Platz belegt

Im zweiten Teil seines Vortrags referierte Helmut Kayser über den Integrierten Pflanzenschutz. Dieser ist eine Kombination von Verfahren, die eine Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt: „Nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich.“ Dabei kommt der Integrierte Pflanzenschutz teilweise auch ohne Chemie aus, weil bereits indirekte, das heißt vorbeugende Pflanzenschutzmaßnahmen getroffen werden wie Standortwahl, Bodenbearbeitung, Fruchtfolge, Sortenwahl, Aussaat sowie Düngung. Zu den direkten Pflanzenschutzmaßnahmen zählen: Physikalische Verfahren (zum Beispiel Baumschnitt), biologische Verfahren (beispielsweise der Einsatz von Nützlingen), chemische Verfahren sowie biotechnische Maßnahmen (Pheromonfallen).

Auch die Verhütung der Einschleppung von Schadorganismen gehört zum Integrierten Pflanzenschutz. Als aktuelles Beispiel wurde das erstmalige Auftreten des Asiatischen Laubholzbockkäfers angeführt, der mit Paletten aus China zu einem Steinhändler nach Hildrizhausen gelangte.

Pflanzen können mit der Zeit resistent gegen bestimmte Wirkstoffe werden. Hier gilt es, ein Resistenzmanagement zu führen: Es sollten Pflanzenschutzmittel gewechselt werden, wenn es Alternativen gibt; ansonsten bleibt nur, die Kultur zu wechseln. Eine Erfolgskontrolle ist sehr anempfohlen und wird in der Praxis leider viel zu selten durchgeführt.

Einige weitere interessante Schlaglichter in Stichworten:

  • Die Resistenzzüchtung gegen den Amerikanischen Stachelbeermehltau wird in Deutschland als „gentechnisch veränderter Organismus“ (GVO) angesehen und ist daher bei uns nicht zulässig.
  • Bei einem Befall eines Kartoffelackers mit Kartoffelnematoden kann sich ein erneuter Anbau von Kartoffeln bis zu 40 Jahre verbieten.
  • Mais verträgt keine Konkurrenz in der Jugendzeit, also keinerlei Unkraut.
  • Eine feuchte Witterung während der Pflaumenblüte begünstigt die Gefahr der Narrentaschenkrankheit.
  • Seit 2017 gilt eine neue Düngeverordnung; man kann dem Gesetz anmerken, dass vor allem große Landwirtschaftsbetriebe davon profitieren, wie sie im Osten Deutschlands vorherrschend sind.

Nach einer Pause behandelte Manfred Nuber das Thema Krankheiten und Schädlinge. So gibt es im eigentlichen Sinne kein Bienensterben, da in den letzten 20 Jahren weltweit die Zahl der Honigbienenvölker stetig zugenommen hat. Der allgemeine Rückgang von Insektenarten ist letztlich nicht erforscht. Der Trend geht weg von Breitbandinsektiziden und hin zu selektiv wirkenden Mitteln. Zwei Bienenvölker stehen auf dem Dach des Landratsamtes Böblingen, der geerntete Honig enthält einen großen Lavendelanteil und schmeckt fast wie Honig aus der Provence mit seinen ausnehmenden Lavendelfeldern. Nachdem das Jahr 2018 den kältesten März und den wärmsten April seit Wetteraufzeichnungen aufzuweisen hatte, gab es eine Verzögerung in der Volksentwicklung, die Vielzahl der Bienen flog erst im Mai. Zudem wird Kirschpollen erst bei 18 Grad Celsius freigesetzt. Ein deutlicher Rückgang der Wildbienenpopulation ist zu verzeichnen.

Manfred Nuber bei seinem Vortrag

Weitere Fakten in Kurzform:

  • Bei der im Intensivanbau von Tomaten üblichen Erziehung der senkrechten Ertragszone an der Schnur ist bei 21 Metern Gesamtlänge der Pflanze das Ende erreicht.
  • Dicke weiße Larven im Kompost sind keine gefürchteten Engerlinge des Maikäfers, sondern Rosenkäferlarven. Diese ernähren sich nur von totem Pflanzenmaterial und sind nicht als Schädling anzusehen. Allerdings sind die Larven der beiden Käferarten nur schwer voneinander zu unterscheiden.
  • Gegen den Birnblattsauger, in dessen Folge sich auch Schwärzepilze bilden, hilft der Ohrwurm. Eine einfache Methode, dem Ohrwurm einen Unterschlupf zu bieten, ist das Antackern einer leeren Kaffeefiltertüte, in der das Wasser nur von innen nach außen fließt, daher ist kein weitergehender Wetterschutz nötig. Achtung: Der Ohrwurm ist in Birne ein Nützling, aber er frisst Steinobst sowie auch Dahlien- und Chrysanthemenknospen an.
  • Die Kirschfruchtfliege liebt die gelbe Farbe, weshalb sie auf Gelbtafeln fliegt. Diese haben jedoch nur eine Fernwirkung und ziehen die Fruchtfliegen aus der näheren Umgebung magisch an. Eine Untersuchung der LVWO Weinsberg zeigt in Bäumen mit Gelbtafeln eine stärkere Vermadung als in Bäumen ohne Tafeln. Mit Eiern belegte Kirschen werden mit einem Duftstoff gekennzeichnet, dennoch konnte ein Vermadungsgrad von mehr als 100 % nachgewiesen werden.
  • Die Kirschessigfliege ist in Europa 2011 in Südtirol im Martelltal ein erstes Mal massiv aufgetreten. In China war sie schon immer präsent, massiv schädigend jedoch erst seit den 1990er-Jahren. Bei uns richtete sie 2014 einen Totalschaden an. Ab Temperaturen von 30 Grad Celsius erfolgt keine Eiablage mehr. Da der Weinbau ebenfalls stark betroffen ist, wirkte sich dies politisch positiv aus, weil schnelle Entscheidungen getroffen wurden.
  • Leimringe gegen den Frostspanner sind höchst umstritten. Zumindest vor Anfang März sollten sie wieder entfernt werden, da die Frostspanner-Weibchen in ihrer Not die Eier auf dem Leim platzieren und die geschlüpften Raupen vom bis dahin eingetrockneten Leim aus in die Krone gelangen. Bei erhöhtem Befallsdruck alle paar Jahre geschieht die Verbreitung der Raupen auch durch Spinnfaden-Verflug von Baum zu Baum. Ornithologen sind gänzlich gegen Leimringe, weil es den Vögeln die Schnäbel verklebt, auch sind schon Vögel an Leimringen kleben geblieben und qualvoll verendet.
  • Die Gelbe Apfelblattlaus ist nicht bekämpfungswürdig, da sie vor allem an jungen Langtrieben sitzt. Ameisen allerdings verteilen aktiv die Läuse auf andere Triebe.
  • Der Asiatische Marienkäfer ist ein Nützling. Er wurde erstmals in Holland in Gewächshäusern eingesetzt. Die Käfer überwintern gerne in Rolladenkästen, ihr massives Auftreten ist mitunter beängstigend. Imker befürchteten schon das Ende des Waldhonigs, der von Läusen stammt.
  • Ist die Kohlmeise ein Nützling oder ein Schädling? Gerne pickt sie insbesondere süße Sorten von Äpfeln an, und Erwerbsobstbauern beklagen teilweise nennenswerte Ernteverluste, weshalb schon Nisthilfen aus den Anlagen entfernt wurden. Ein Versuch am Institut für Obstzüchtung in Dresden-Pillnitz mit Vogeltränken ergab, dass es nicht an Wassermangel liegt.
  • Die Wühlmaus (Schädling) und der Maulwurf (Nützling) nutzen das gleiche Gangsystem.

Zum Schluss wurde ein Film der Universität Kiel über Blattläuse und deren Gegenspieler Florfliege und Siebenpunkt-Marienkäfer gezeigt, hervorragende Makroaufnahmen gaben Einblicke in Leben und Entwicklung dieser Insekten.

Über Bruno Böhmler

Jahrgang 1956. Fachwart für Obst und Garten seit 2003. Danach kamen immer weitere Qualifikationen hinzu, beispielsweise: LOGL-geprüfter Obstbaumpfleger, Heckengäu-Naturführer, kommunaler Baumwart (entspr. staatl. geprüft), Pflanzendoktor der Gartenakademie, FLL-zertifizierter Baumkontrolleur, Baumwertermittler.

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