Gemüseanbau für Selbstversorger

Auf den 18. September 2019 hatte der Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg e.V. (LOGL) zu einer Fachwartfortbildung zum Thema Gemüseanbau für Selbstversorger eingeladen. Im Gelände der Staatsschule für Gartenbau auf dem Campus der Universität Stuttgart-Hohenheim konnte Sigrid Jetter, die LOGL-Regionenvertreterin von Stuttgart etwa 30 interessierte Fachwarte begrüßen. Dr. Michael Ernst führte durch die Anlagen, in denen Gartenbau-Meister und -Techniker ausgebildet werden, wenn auch leider immer weniger: Im Gemüsebau hat die Anzahl der Betriebe in den letzten zehn Jahren um 25 Prozent abgenommen. Beim Gemüsebau werden die Schwerpunkte Freilandbau, Anbau unter Folie, Biodiversität sowie Zwischenbegrünung verfolgt.

Dr. Michael Ernst (links) stellt die Zwischenbegrünung vor

Zwischenbegrünung und Düngung

Bei der Zwischenbegrünung werden fünf verschiedene Begrünungen getestet, beispielsweise Monokulturen mit Sonnenblumen oder Studentenblumen (Tagetes). Es gibt auch Mischkulturen, wobei die Saatgutmischungen hierfür fertig geliefert werden. Eine stark unterschiedliche Wüchsigkeit der Mischpflanzen macht viel Arbeit. Zwischen den Pflanzen einzelner Saatgutmischungen kann es auch zu Wurzelunverträglichkeiten kommen, diese sind jedoch nicht nachweisbar. Eine Zwischenbegrünung soll in Zeiten, in denen keine Gemüsepflanzen angebaut werden, den Boden beschatten, ein günstiges Kleinklima schaffen und Unkraut vermeiden helfen. Auch soll die Zwischenbegrünung möglichst lange stehen bleiben, damit die Pflanzen aussamen können. Hierbei muss beachtet werden, dass keine Kreuzblütler (Brassica-Arten) wie zum Beispiel Raps oder Radieschen zum Einsatz kommen, wenn danach Kohlarten angebaut werden sollen. Damit soll der Pflanzenkrankheit Kohlhernie vorgebeugt werden.

Eine Zwischenbegrünung ist nicht dasselbe wie eine Düngung, hierfür werden vorwiegend Hülsenfrüchtler (Leguminosen) als Gründüngungspflanzen verwendet. Diese Pflanzen sind in der Lage, Stickstoff sowohl aus der Luft zu binden als auch aus tieferen Bodenschichten zu fangen und nach oben in den Feinwurzelbereich zu bringen, weshalb sie auch als „Catch Crops“ bezeichnet werden. Hier kommen unter anderem Lupinen und Erbsen mit ihren tiefreichenden Wurzeln in Betracht. Auch Klee bildet eine kräftige Pfahlwurzel aus. Das industrielle Binden von Luftstickstoff ist aufwändig und teuer, weshalb mithilfe der Knöllchenbakterien an den Wurzeln der Leguminosen eine günstige biologische Alternative zur Stickstoff-Fixierung zur Verfügung steht. Bestens zur Gründüngung geeignet ist die Phacelia, die sehr empfohlen wird, zumal sie mit keiner anderen Gemüsepflanze verwandt ist und es daher keinesfalls zu Unverträglichkeiten kommt. NPK-Kombidünger, beispielsweise „Blaukorn“, werden nur im Zierpflanzenbau angewandt und nicht im Gemüsebau, dort wird üblicherweise nur mit Stickstoff (N) gearbeitet. Allgemein soll bei der Düngung das Mengenkonzept vorherrschen: Viel Sonne bedeutet viel Wasser, aber nur wenig Dünger. Übrigens: Sollte Weißklee im Rasen wachsen, bedeutet dies, dass der Rasen nie gedüngt wurde.

Schädlinge

  • Gegen schädliche Nematoden wird eine mindestens viergliedrige Fruchtfolge empfohlen, hier ist auch der Anbau von Büschelschön (Phacelia) hilfreich. Auch mit Tagetes werden erfolgreich schädliche Nematoden bekämpft, hier wirkt sie mit ihrer Wurzelausscheidung als eine „Feindpflanze“.
  • Allerdings zieht Tagetes Schnecken magisch an und ist so für Schnecken eine „Fangpflanze“.
  • Gegen Maulwurfsgrillen (Werren) hilft: Unbedingt Gräser meiden, und die Tiere mit Kartoffelscheiben ködern und absammeln.
  • Auch Drahtwürmer, das sind die gefräßigen Larven der Schnellkäfer, werden auf diese Weise geködert.
  • Der Erdfloh, ein kleiner Käfer, mag es gern trocken, weshalb gegen ihn vor allem ein Feuchthalten des Bodens empfohlen werden kann. Wird ein Gemüsevlies eingesetzt, soll dieses möglichst leicht sein, um die Unterkultur nicht zu erdrücken. In der Staatsschule für Gartenbau hat sich ein Vlies mit einer Grammatur von 17 Gramm pro Quadratmeter bestens bewährt.
  • Die Weiße Fliege, eine Mottenschildlaus, kann allerdings insbesondere unter Gemüsevlies große Kolonien bilden. Grund dafür ist der Schutz des Netzes selbst: Die Nützlinge werden abgehalten und kommen so nicht an die Schädlinge heran.
  • Gegen Schadinsekten sollen Nützlinge eingesetzt werden. Für eine gezielte Nützlingsförderung werden Getreideblattläuse eingesetzt, die nur an Getreide und Gräsern saugen und keine Gemüseschädlinge sind.

Karotten

Nicht nur bei Tomaten, auch bei Karotten gibt es eine Sorte „Ochsenherz“

Die Karotten benötigen einen lockeren Boden und werden in einer Dammkultur herangezogen. Es sind viele Sorten in der Testung, auch alte, bereits seit Jahren bewährte Sorten, werden miteinander verglichen. Zunächst werden die Dämme angelegt und daraufhin mindestens eine Woche abgewartet. Das zwischenzeitlich aufgelaufene Unkraut wird entfernt, erst danach erfolgt die Einsaat. Es findet keine weitere Bodenbearbeitung statt. Darauf geachtet werden muss, die Dammkrone nicht austrocknen zu lassen. Bis zur Einwurzelung soll von oben gegossen werden. Danach werden die Wassergaben sparsam dosiert, die Pflanzen sollen mit ihrer Pfahlwurzel in die Tiefe wachsen und dort nach Wasser suchen. Es reichen dann 20 Liter pro Quadratmeter. Zur Frage des besten Gießzeitpunkts, ob morgens oder besser abends, wird empfohlen, es sollte bevorzugt morgens gegossen werden, die Kulturen sollen bis spätestens um 11 Uhr wieder trocken sein. Pilzhyphen benötigen vier Stunden anhaltender Feuchte, damit sie ins Blatt einwachsen können. Beim abendlichen Gießen gehen die Pflanzen feucht in die Nacht, damit haben eventuelle Pilzsporen leichtes Spiel. Auch sollten Karotten nach der Ernte nicht gewaschen werden, sondern erst zum Zeitpunkt, wenn sie küchenfertig zubereitet werden. Karotten schossen durch einen Kältereiz im Frühjahr.

Zur Definition von Unkraut war zu erfahren: Dies sind generell unerwünschte Pflanzen, die dort, wo sie wachsen, nicht geduldet werden können. So wird eine Mohnblume in einem Kohlfeld zum unerwünschten Unkraut. Es kann Unkraut aber auch eine Kulturpflanze sein: Beim Ausdünnen jeder zweiten Pflanze in den Karottenreihen sind diese überzähligen Karotten das „Unkraut“.

Gemüse-Dauerkultur: Artischocken

Das Besondere beim besichtigten Kartoffelfeld ist, dass die Pflanzen nicht aus Knollen, sondern sämtlich aus Stecklingen gezogen wurden. Hier kommt eine Sorte der Saatgutfirma Kiepenkerl zum Einsatz, die tolerant gegenüber Krautfäule sein soll. Der Bestand steht nun im zweiten Jahr, die Kartoffeln werden mehlig. An der Schule selbst wird übrigens keine Sortenzüchtung betrieben, sondern nur Testung, Vergleich und Bonitur von Pflanzmaterial, das von unterschiedlichen Züchtern bereitgestellt wird. Eine staatliche Züchtung gibt es nur im Obst- und Weinbau sowie im Forst, den Rest machen Wirtschaftsbetriebe.

Mangold ist eigentlich eine zweijährige Pflanze, häufig wird allerdings angenommen, dass sie bei uns den Winter nicht übersteht und daher oft einjährig gezogen wird.

Nebenbei bemerkt: Der Name der Roten Bete (Beta vulgaris subsp. vulgaris) rührt nicht etwa von „Beet“ her, obwohl die falsche Schreibweise Rote Beete oft angetroffen werden kann, sondern vom botanischen Gattungsnamen Beta für die Rübengewächse, den der Naturforscher Carl von Linné einführte.

Tomate

Viele Gemüsepflanzen sind heute veredelt. So wird die Aubergine auf Tomate veredelt, die Gurke auf Kürbis. Eine veredelte Tomate hat im Vergleich zur nicht veredelten Variante nicht „mehr“ Früchte, sondern um 60 Prozent größere. Tomaten sollten wegen des Geschmacks am besten nur in Rotreife geerntet werden. Grün geerntete Tomaten werden zwar im Lager noch rot, der Geschmack nimmt allerdings nicht zu.

Nach Ansicht von Dr. Michael Ernst besitzt die Tomate eigentlich gar keinen Geschmack. Das, was der Konsument als „Geschmack“ bezeichnet, ist in Wirklichkeit nur das individuell wahrgenommene Verhältnis von Zucker und Säure der Frucht. Auch für den Duft gibt es in der deutschen Sprache keine Adjektive. Der für den Verbraucher typische Duft einer Tomate steckt nicht in der Frucht, sondern in den grünen Teilen der Tomatenpflanze, und dort insbesondere in den feinen Härchen, die sich am Stängel, auf den Blättern und auch auf den Rispen befinden und die bei leichtester Berührung abbrechen und den Duft freigeben. Insofern sind die vermarkteten Rispentomaten eine Erfindung und Taktik der Tomatenzüchter und -händler, die damit bewirken, dass der Kunde beim Kauf solcher Tomaten nach der Rispe greift und sofort den typischen intensiven Tomatenduft wahrnimmt. Eine Tomate besteht zu über 90 Prozent aus Wasser, und nach Dr. Ernst gibt es scherzhafterweise vier Aggregatszustände des Wassers: „Gefrorenes Wasser, flüssiges Wasser, Wasserdampf und holländische Tomate.“

Es wird empfohlen, sieben Wochen vor Saisonende die Spitze der Pflanze abzubrechen, damit sie nicht mehr weiterwächst, keine neuen Blüten mehr anlegt und ihre Kraft in die vorhandenen Früchte steckt. Gedüngt wird bis drei Wochen vor der Ernte. Entblättert wird bis zum untersten Fruchtansatz. Der Effekt, dass ein Wassertropfen auf einem Blatt im Sonnenlicht wie ein Brennglas wirkt, stimmt nicht: Bei Verdunstung des Wassers nimmt die Düngerkonzentration zu, was zu Verbrennungen am Blatt führt. Sollten Tomatenfrüchte an der Spitze schwarz werden, wie dies häufig bei Roma-Tomaten der Fall ist, liegt ein physiologischer Kalziummangel vor. Eine Fruchtausdünnung wäre denkbar, die Früchte haben jedoch keinen Geschmack. Bei Kalzium gibt es keine Rückverlagerung vom Blatt in die Frucht. Ein vergleichbarer Effekt ist die Stippe beim Apfel.

Tomaten-„Urwald“ im Folienhaus

An der Staatsschule werden die Tomaten im Folienhaus kultiviert. Die einzelnen Pflanzen sind an einer Schnur hochgebunden, die allerdings etwa 20 Meter lang und oben am Spanndraht auf einer Haspel aufgewickelt ist. Sobald eine Tomatenpflanze den Spanndraht erreicht, wird die Schnur etwas abgewickelt, die Pflanze kommt dadurch nach unten und kann erneut hochwachsen. So können im Verlauf einer Saison bis zu 20 Meter lange Stängel entstehen, die auf dem Boden in einem immer größer werdenden Bogen zu liegen kommen. In der Toskana werden die Tomaten häufig nicht hochgebunden, sondern am Boden kriechend gezogen. Diese terminierten Sorten dienen der Ketchupproduktion, die Früchte werden alle gleichzeitig geerntet, sie sind hart und damit gut stapelbar, transportfähig und werden nicht matschig. Es gibt sie bei uns auch als Balkontomaten, sie zeichnen sich durch einen hohen Trockenmasseanteil aus und beinhalten wenig Gallerte.

Die Aubergine wird 3-triebig erzogen, die Mittenknospe ausgebrochen

Paprika

Der Paprika benötigt von der Aussaat bis zur ersten Beerntung etwa 80 Tage. Sehr wichtig bei Paprika ist, dass die allererste Blüte, die sich bildet, die sogenannte Königsblüte, ausgebrochen wird, weil sonst durch Apikaldominanz verhindert wird, dass sich Seitenverzweigungen mit weiteren Blüten bilden. Auch sollte die erste Ernte bei noch grünen Früchten erfolgen; dies dient nicht nur zur Entlastung, sondern verhilft auch zu einer besseren Neublütenbildung, die sich nur bei geringem Fruchtbehang einstellt. Der Paprika ist ein wärmeliebendes Nachtschattengewächs. Er benötigt praktisch während der gesamten Kulturzeit ständig über 16 °C. Unterhalb dieser Temperatur treten die ersten Wachstumsstockungen auf, die als Kälteschäden aufgefasst werden können, wobei Kälteschäden nicht dasselbe wie Frostschäden sind. Viele tropische Pflanzen gehen bereits bei niedrigen Plusgraden kaputt, weil die Fette der Zellmembranen zunächst gelartig und dann fest werden. Als Beispiele seien genannt: Im Kühlschrank wird Palmöl fest, eine Banane wird schwarz.

Kai-lan

Zum Thema „Besonderheiten bei Gemüse“ wird auf einem Freilandversuchsfeld Kai-lan angebaut, um der Frage nachzugehen, ob diese Gemüseart für den professionellen Anbau geeignet ist. Kai-lan, auch Chinesischer Brokkoli (Brassica oleracea var. alboglabra) genannt, ist eine Zuchtform des Gemüsekohls. Die angebaute Nummernsorte „CC2106“ ist eine F1-Hybride, sie wurde Mitte August angesät und drei Wochen später im Fünfblattstadium aufgepflanzt. Geerntet und verwertet wird die gesamte Pflanze im Stadium der noch nicht aufgeblühten Knospen bzw. der Blüten mitsamt des dickfleischigen Stängels und der zarten Blätter.

Kai-lan: Die Stängel schmecken knackig wie Kohlrabi, die Blätter wie feiner Spitzkohl und die Blüten wie Brokkoli

Die am Feld aufgestellte Hinweistafel bietet für die bei uns noch weitgehend unbekannte Gemüseart folgenden Rezeptvorschlag: „Blanchieren Sie die Stiele drei bis vier Minuten lang, bis sie weich sind. Braten Sie sie dann mit Öl an, das mit Knoblauch, Austern- oder Sojasauce und einer Prise Zucker aromatisiert ist. Fügen Sie die Blätter und Blüten für die letzten paar Minuten hinzu.“

Pepino

Eine weitere Besonderheit ist der versuchsweise Anbau von Pepino im extensiven Folienhaus. Hier lautet die wissenschaftliche Frage: Welche Erträge lassen sich bei Anbau im unbeheizten Folienhaus nach französischem System realisieren? Pepino, auch Melonenbirne (Solanum muricatum) genannt, ist ein Nachtschattengewächs aus den südamerikanischen Anden. Die Versuchssorte „Copa“ wurde Mitte April in Töpfen angesät und drei Wochen später im Foliengewächshaus aufgepflanzt. Hierbei wird das Ertragsverhalten dreier unterschiedlicher Pflanzdichten untersucht: Einreihig mit 100 Zentimeter Abstand entsprechend 0,8 Pflanzen pro Quadratmeter, einreihig mit 50 Zentimeter Abstand entsprechend 1,6 Pflanzen pro Quadratmeter sowie zweireihig mit 60 × 100 Zentimeter entsprechend 1,6 Pflanzen pro Quadratmeter.

Im Pepino-Folienhaus. Dr. Michael Ernst (rechts): „Die Pepino schmeckt interessant. Aber man muss sie nicht haben.“

Übrigens werden die Früchte nicht zum Verkauf angeboten. Es ist geplant, dass sie im kommenden Jahr zur Messe „Internationale Grüne Woche“ in Berlin von schwäbischen Köchen unter dem Motto „Schmeck den Süden“ zu einem Chutney verarbeitet und zur Verkostung angeboten werden.

Der Gemüse-Selbstversorger sollte sich stets vor Augen halten, dass Gemüse, das im eigenen Garten produziert wird, letzten Endes nicht billiger ist als das aus dem Ladengeschäft, auch wenn man die aufgewendete Zeit nicht als Arbeitszeit verrechnet. Zudem wird während der Reifeperiode oftmals so viel Gemüse gleichzeitig reif, dass man mit dem Verbrauch nicht mehr hinterherkommt. Die Folge davon ist zwangsläufig, dass hauptsächlich nur noch die Ware verbraucht wird, die dringend weg muss, um sie vor einem drohenden Verderb zu retten. „So wird Heimgemüse zu Edelkompost.“

Resümee

Die Veranstaltung bot einen hochinteressanten Einblick in die Gemüsekulturen der Staatsschule, gepaart mit einigen erhellenden Lehrstunden zum Thema Gemüsebau. Nicht alle behandelten Gemüsesorten konnten hier aufgeführt werden, und etliche Antworten auf Forschungsfragen sind noch offen. Dennoch hat der Referent Dr. Michael Ernst mit seinen Ausführungen, dem Selbstversorger wertvolle Tipps zum erfolgreichen Gemüsebau mitzugeben, sein Ziel voll erreicht. Die Ausblicke für eine Zukunft ermöglichen die Erschließung weiterer Felder.

Über Bruno Böhmler

Jahrgang 1956. Fachwart für Obst und Garten seit 2003. Danach kamen immer weitere Qualifikationen hinzu, beispielsweise: LOGL-geprüfter Obstbaumpfleger, Heckengäu-Naturführer, kommunaler Baumwart (entspr. staatl. geprüft), Pflanzendoktor der Gartenakademie, FLL-zertifizierter Baumkontrolleur, Baumwertermittler.